„Wandel“

Die Fotografien von Christine Henke verbinden das alte historische Fotoverfahren, das sogenannte „nasse Kollodium Verfahren“, bei dem schwarze Glasplatten direkt in der Kamera belichtet werden, mit zeitgenössischer Bildsprache und thematisieren den Schwellenzustand des Heranwachsens, vom Kind zum Jugendlichen. Eine Verschiebung aus Naivität und Unschuld hin zu einer auferlegten Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit, die ihre spielerischen Momente einbüßen soll oder darf.
Archaisch in schwarz -weiß entziehen sich die Aufnahmen einer zeitlichen Einordnung. Nur an Details der Kleidung wird ein Ver-orten im Jetzt stellenweise möglich. Die thematische Inszenierung durch fragmentarische Verweise, die klassische Motive der Bildgeschichte aufgreifen wie z.B. „Der Ziegenhirte“ haben einen eher mystifizierenden Charakter und entrücken die Porträtierten von der Welt indem sie sie in einer stereotypischen Kindlichkeit einschreiben. Diese wird jedoch durch ihre Körperhaltung und ihren Blick kontrastiert- einem ernsten, fixierten und erwachsen wirkenden -ein Lächeln über den langen Belichtungszeitraum zu halten wäre kaum möglich. Was so entsteht ist eine Intensivierung und eine Tiefe (man denke an die frühen Porträts eines August Sanders) die das Auge als das Fenster zur Welt und wenn man so will zur Seele fassen. Ein Wechsel zwischen Innen- und Außenwelt der die Hauptauseinandersetzung und Krise dieses Schwellenzustandes des Heranwachsens ausmacht.
Malerische Verwischungen und Schleier-artige Überlagerungen die durch das Verfahren und die Beschichtung der Glasplatten mit den Chemikalien verursacht werden, erzeugen einen zusätzlichen nostalgischen Effekt der mysteriös und dramatisch wirkt. Der Zustand von Grenzüberschreitung und Umbruch wird in der Intensität der Kontraste betont. Der Zufall im Prozess der Entwicklung und seine Eigenwilligkeit, lässt jede Fotografie zu einem Unikat werden. Auch die kleineren Formate sind so keine Ausschnitte, wie wir es durch unsere digital geprägte Bildwahrnehmung vielleicht vermuten sondern beim näheren Hinschauen selbstständige Aufnahmen, die die Porträtierten noch mal in einen anderen Rahmen setzen.

Text: Sandra Hampe

zur Eröffnung der GFF Ausstellung in der Galerie Herold, Bremen